Eine kleine Achtsamkeitsübung

Moriz Bartmann
(IDG/Prof. Kohl)

Der geometrische Punkt ist ein unsichtbares, immaterielles Wesen. Ebenso wie die Größe sind auch die Grenzen des Punktes relativ. In der Realität kann der Punkt eine unendliche Vielfalt an Formen annehmen. Nach Wassily Kandinsky existieren vollkommen reinklingende, einfarbig ausstrahlende Elemente nicht in der Realität.

In der Mathematik, der Malerei und der Natur decken sich die Bezeichnungen des Punktes. Der Punkt steht für den Anfang oder den Ursprung. In der Natur ist der Punkt das Samen (lat. semen, „der Setzling“, „das Fallengelassene“, „werfen“), das das Potential in sich trägt, neues Leben entstehen zu lassen. In der Kunstgeschichte spielt der Punkt sowohl in abstrakten Gemälden Kandinskys, aber auch in impressionistischen Gemälden von Georges Seurat - dem wichtigsten Vertreter des Pointilismus, eine Rolle. Der Punkt ist das Resultat der ersten Berührung des Malwerkzeugs mit dem Untergrund. Er beinhaltet das Potential jede Richtung anzunehmen, sich zu einer Linie und diese zu einer Fläche zu entwickeln oder eine Komposition mit anderen Elementen zu bilden. Der Punkt allein ist richtungslos, hat aber eine konzentrisch wirkende Spannung inne.

In meiner Arbeit widme ich mich dem Kleinen, Alltäglichen, uns vor die Füße Fallenden, das sich oft unserer Wahrnehmung entzieht. Vermeintlich einfachen Dingen, Beiwerk, Staffage in unserem immer weiter akzelerierenden Alltag. Dafür entnehme ich aus einer heterogenen Sammlung aus Fundstücken, die mir im Alltag begegnet sind, eine Auswahl von Samen und Pflanzen unterschiedlichster Formen und Größen. Durch die Änderung der Materialität und das Vergrößern führe ich diese an den menschlichen Maßstab heran und weise ihnen neue Nutzungsmöglichkeiten zum Entschleunigen und dem Erreichen eines anderen Bewusstseinszustands der Achtsamkeit zu.

Beim Übersetzen der gefundenen Samen und Pflanzen findet ein Materialwechsel statt, die Objekte erhalten einen gewissen Abstraktionsgrad. Die Vergrößerung und das Heranführen an den menschlichen Maßstab ermöglichen es der Nutzer*in die Objekte an den Körper anzulegen und mit ihnen in eine körperliche/ imaginative Interaktion zu treten. Konkrete Handlungsanweisungen gibt es keine. Den Objekten wird durch das Vergrößern mehr Bedeutung zugeschrieben.

Betreuer*innen:
Prof. Sybil Kohl, Pia Obermeyer, Mathias Hartmann

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