Im ländlichen Raum werden ganz wesentliche Fragen unseres zukünftigen Zusammenlebens entschieden. In dieser Entwurfsarbeit untersuchen die Studierenden die Stallungen eines Putenmastbetriebs im Nordosten Baden-Württembergs als Typologie. Dabei werden schnell die starken Verflechtungen der Landwirtschaft auf wirtschaftlicher, politischer und logistischer Ebene deutlich, die vom lokalen bis weit in den globalen Maßstab reichen: Konkurrenz um Bau- und Anbauflächen, Preiskämpfe im Supermarktregal, Überdüngung, Futtertransport über Kontinente und Ausbeutung von Mensch, Natur und Tier.
Diese Abhängigkeiten gehen einerseits zurück auf die Monofunktionalität der heutigen konventionellen Landwirtschaft, andererseits auf die monofunktionale Raumordnung, die diese Landwirtschaft formt und nutzt. Die Planungsmoderne ist hier an Ihr Ende gekommen und zeugt von der Notwendigkeit, diese im Sinne einer reflexiven Moderne neu zu denken und zu diskutieren.
Wir sehen die Notwendigkeit, Vielfalt in diese Räume und in die Landwirtschaft zu pflanzen. Die Putenställe dienen uns als konkrete Fallstudie dieses Transformationsprozesses. Unter Verwendung des Bestandes als Ressource entnehmen wir Bauteile und fügen sie an anderen Stellen hinzu. Die Hallenbauten liefern Stahlrahmen, Wand-, Fassaden- und Dachelemente.
Damit stricken wir auf dem Spielfeld des landwirtschaftlichen Gehöfts ein neues räumliches Gefüge mit Wegen, Gärten und Plätzen. Neue Nutzungen beleben den Hof und machen ihn resilienter gegen Klima- und Wirtschaftskrisen. Sie zeigen das räumliche Potenzial einer permakulturellen Agroforstwirtschaft auf. Die Fleischproduktion wird stark reduziert und durch Gemüseanbau, gewerbliche Nutzungen und Wohnräume ergänzt und somit zu multicodierten Räumen neu verwoben. Es entsteht ein in sozialer, wirtschaftlicher, ökologischer und städtebaulicher Hinsicht verdichteter Möglichkeitsraum.
Semester: WS 2022
Lehrende: Vertr. Prof. Markus Vogl, Richard Königsdorfer, Jonas Malzahn