Um unsere eigentümlichen, konfus und klischeebeladenen Vorstellungen des Landlebens neu zu formulieren ist ein allgemeiner Imagewechsel des Lebens auf dem Land gefordert. Mit dem unten beschriebenen Donuteffekt, der allgemeinen Flächennutzung/verbrauch, der Veränderung der Landwirtschaft, fehlende, geeignete Typologien auf dem Land, sowie extrem langen Verkehrs- und Transportwegen und deren Auswirkungen auf die Umwelt wurden nur einige Problematiken benannt, die uns in Zukunft vor große Herausforderungen stellen. Diese gilt es zu lösen. So romantisch das traditionelle und klischeebeladene Landleben auch ist, benötigt man in Zukunft einen Lösungsansatz um dies modern und innovativ zu gestalten und den angesprochenen Veränderungen gerecht zu werden. Aus architektonischer Sichtweise sind nachhaltige und modulare Wohnformen gefordert, die auf den ständigen Handel unproblematisch reagieren können. Außerdem beschäftigt sich dieser Entwurf stark mit der Frage des Verhältnisses zwischen Dorf und Stadt und auf welche städtischen Faktoren die „Land- Bevölkerung“ angewiesen ist und auf welche sie durch selbständige Versorgung oder gar Autarkie verzichten kann und damit
gleichzeitig zur Entlastung der Städte beiträgt. Dieser Entwurf stellt keine massgeschneiderten Antworten auf jeden Ort oder jede Region dar - ganz getreu dem Motto von Ebenezer Howard „Diagramm only“* - sondern dient viel
mehr als ein „Baukasten“ für Entwerfer und Planer, die bei Berücksichtigung der folgenden Aspekte einen innovativen, modernen und geeigneten Lösungsansatz der genannten Problematiken erstellen.
*Sir Ebenezer Howard (* 1850 in London; † 1928 ) britischer Stadtplaner, Erfinder der Gartenstadt
Aktuelle Studien zur Flächennutzung in Deutschland belegen, dass 51,1%* der gesamten Fläche für landwirtschaftliche Zwecke genutzt werden. Wälder nehmen 29,7%* der Fläche ein während Siedlungs- und Verkehrsflächen 13,8%* bedecken. Bei einer Bevölkerungszahl von aktuell ca. 82.790.000 Menschen ergibt sich eine durchschnittliche Siedlungs- und Verkehrsfläche von 595qm* pro Einwohner. Unter Berücksichtigung der 12,1%-igen* Zunahme von SuV-Flächen in den letzten 16 Jahren, des rapiden demographischen Wandels sowie wachsenden Bevölkerungs- zahlen nimmt dieser prozentuale Anteil stetig zu. Bei der Annahme die Bevölkerung in Deutschland steigt in der Zukunft auf 100 Millionen Menschen an und es gelten die gleichen Durchschnittswerte der SuV Fläche pro Einwohner, so beträgt dieser Wert bereits 16,5%. Durch den signifikant ansteigenden Bedarf an Nahrungsmitteln
zur Ernährung von zukünftig >100 Millionen Menschen wird die landwirtschaftliche Nutzfläche weiter ansteigen, um den Bedürfnissen auch zukünftig gerecht zu werden. Bei der etwas unrealistischen Annahme des gleichen Verhältnisses an landwirtschaftlicher Fläche pro Einwohner würde die Fläche 62% einnehmen. Addiert man diese beiden Zahlen entstehen absurde Werte von beinahe 80% genutzter Fläche. Die daraus resultierenden dramatischen Konsequenzen wären ein massiver Rückgang des Waldbestandes, stark reduzierte naturbelassende Bereiche und ein enormes Abnehmen der Biodiversität. Um mit diesen zukünftigen Veränderungen umgehen zu können, werden Lösungsansätze für eine effizientere, nachhaltigere und umweltschonendere Flächennutzung benötigt - vor allem
auf ländlichen, noch unbebauten Flächen.
* Quelle: Umweltbundesamt Deutschland
Abgesehen von der steigenden Siedlungs- und Verkehrsfläche in Deutschland begünstigt der Wandel der Haushaltsgrößen eine enorme Veränderung des Flächenverbrauchs. Die Anzahl der Ein- und Zwei-Personenhaushalte steigt drastisch an und wird 2035 auf 81%* prognostiziert. Die Wohnfläche pro Kopf nahm in Deutschland zwischen 2011 und 2017 von 46,1* Quadratmetern auf 46,5 qm* zu. Ein Grund dafür war die immer noch zunehmende Versorgung mit Eigenheimen und großen Wohnungen obwohl die Haus- halte im Mittel immer kleiner und vor allem Ein-Personen haushalte immer häufiger werden. Im Mittel teilten sich 2017 nur noch zwei Menschen eine Wohnung, der Anteil der Ein- Personenhaushalte lag bei 41,8%*, währenddessen der Anteil der Drei- und Vier- Personenhaushalte nur etwa 24,7%* betrug - Tendenz sinkend. Dies stellt uns vor neue Herausforderungen und erhöht die Nachfrage nach angepassten, flexiblen, modularen und nachhaltigen Wohntypologien nicht nur in der Stadt, da die Nachverdichtung endlich ist und das moderne Dorf effizient gestaltet werden und eine Entlastung der Stadt darstellen soll.
* Quelle: Umweltbundesamt Deutschland
Pro Tag wurden 2016 in Deutschland 62 Ha* unbebaute Fläche mit Siedlungsund Verkehrsflächen versiegelt. Das entspricht täglich etwa 62 Fussballfeldern bei einer Gesamtfläche Deutschlands von circa 35.738.600 Feldern. Pro Jahr ergeben das 22.630 Ha neu „bebaute“ Fläche. In der Vergangenheit erzielte man doppelt so hohe Werte von 129* Ha pro Tag (47.085 Ha / Jahr). Die Problematik der Flächenknappheit oder die Erhaltung von anderen wichtigen Flächen, wie die der Natur oder des Waldes erkannte die Bundesregierung bereits und definierte in der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel von nur 30 Ha* Flächenverbrauch pro Tag im Jahre 2030. Die Nachverdichtung in der Stadt ist jedoch auch endlich, weshalb auf dem Land Lösungsansätze für die Problematik des Donuteffekts und der effizienten Restflächennutzung erstellt werden müssen. Hinzu kommt das Ansteigen der Wohnfläche pro Kopf in Deutschland. Die zwischen 2000 und 2017 von 39,5* Quadratmetern auf 46,5* qm zunahm. Ein Grund dafür waren unteranderem fehlende Typologien auf dem Land, da die homogene Struktur des Einfamilienhauses nach wie vor überwiegt und kleinere Einheiten für Singles oder Senioren nicht vorhanden sind. Obwohl die Haushalte im Mittel immer kleiner und vor allem Ein-Personenhaushalte immer häufiger werden. Im Mittel teilten sich 2017 nur noch zwei Menschen eine Wohnung. Dies stellt uns vor neue Herausforderungen und erhöht die Nachfrage nach flexiblen und modularen Wohntypologien nicht nur in der Stadt.
Der Donuteffekt stellt ein erhebliches Problem im Bezug auf den Flächenverbrauch auf dem Land dar, da das alte Dorfzentrum (s.l.) für junge Familien und allgemein jüngere Menschen selten attraktiv ist. Aufgrund der maroden, alten Gebäude, die nur schwer zu renovieren und mit einem hohen Aufwand und unkalkulierbaren Kosten verbunden sind, entscheiden sich die Meisten für einen Hausbau außerhalb des Dorfzentrums , um ihren Traum des Eigenheims zu verwirklichen (s.l. orangene Flächen). Bedingt durch die monotone Typologie kommt das Landleben für viele jedoch überhaupt nicht in Frage. Die logische Konsequenz daraus macht sich durch einen immer größer werdenden Radius bemerkbar (s.l.). Durch die täglich 62ha* neu bebauten Siedlungs- und Verkehrsflächen wird der landwirtschaftliche Gürtel (s.l. gestreifte Fläche) ringsherum immer weiter nach außen verdrängt. In der Stadt entsteht diesbezüglich eine ähnliche Problematik, da der Speckgürtel sich immer weiter ausbreitet. Diesbezüglich definiert sich das Ziel des
effizienten Dorfs damit, die Landwirtschaft teilweise in das Dorf zu integrieren und das Zentrum mit gemeinschaftlichen, innovativen Nutzungen zu versehen, um neue Zielgruppen anzuziehen und das Zentrum zugleich
nachhaltig zu stärken, um es vor dieser Problematik auch in Zukunft zu bewahren.
* Quelle: Umweltbundesamt Deutschland
Ein/e Erwerbstätige/r in Baden-Württemberg benötigt im Schnitt 16,4km* zu seinem/ihrem Arbeitsplatz. Darüber hinaus waren 2015 900* von insgesamt 1101* Gemeinden in Baden-Württemberg Auspendlergemeinden, das bedeutet, dass mehr Erwerbstätige außerhalb ihrer Gemeinde arbeiten, wie innerhalb ihrer Gemeinde - Tendenz steigend. Insgesamt gab es im erwähnten Bundesland 2015 5,5* Millionen Erwerbstätige. Eine Vielzahl dieser Pendler verwendet für den Arbeitsweg das Auto. Die Erklärung dafür ist recht simpel, je größer der Ballungsraum und die Stadt, desto mehr Arbeitsplätze sind vorhanden. Des Weiteren liegt es ebenfalls an den fehlenden Arbeitsplätzen auf dem Land. Wäre es nicht für alle Beteiligten attraktiver, einen Lösungsansatz zu entwickeln, der die Distanz zwischen Wohnort und Arbeitsplatz verringert ? Profit daraus würden nicht nur Arbeit-Geber und - Nehmer schlagen, sondern den wohl größten Nutzen hätte die Natur durch geringere Co2 Ausstöße und unzähligen weiteren Aspekten. Doch nicht nur die Minimierung des Verkehrsweg würden der Umwelt zu Gute kommen, sondern auch kürzere Transportwege. Wie eine Statistik offenlegt, befördern Flugzeuge täglich 140 Tonnen*2 Lebensmittel nach Deutschland. Immens sind
dabei die Auswirkungen auf die Umwelt.
Prof. Schönle