Christina Eisenbarth, Architektin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des ILEK stellt ihr Projekt Hydroskin vor

10. September 2024

Wie eine Wasserhaut vor Hitze und Hochwasser schützt




Sie ist biegsam und stabil, porös und reißfest, die Wasserhaut Hydroskin für Gebäude. "Dieses neuartige Material kann den Kampf gegen die Folgen von Hitzewellen und Starkregen in Städten revolutionieren", meint dessen Erfinderin Christina Eisenbarth. Die Architektin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart will die Fassaden von bestehenden und neuen Gebäuden nutzen, um an heißen Tagen zuvor gesammeltes Regenwasser zur Verdunstung und damit Kühlung einzusetzen. Hydroskin besteht aus mehreren Textillagen, die durch Fäden auf Abstand gehalten werden.

Der natürliche Kreislauf von Niederschlägen und Verdunstung ist durch zunehmende Versiegelung gestört, wie Hydroskin-Erfinderin Eisenbarth erläutert. "Letztlich verwandeln wir selber unsere Städte in Hitzeinseln und Hochwasser-Wannen." Dieser Entwicklung soll das Konzept der Schwammstadt Einhalt gebieten. Auf diesem Prinzip basiert auch Hydroskin.

Stefan Petzold vom Naturschutzbund Deutschland Nabu sieht in Hydroskin eine Möglichkeit, das Leben in der Stadt angenehmer zu machen - ebenso wie grüne Fassaden, begrünte stillgelegte Kreisverkehre und umgewidmete Parkplätze. "Mit solchen Entsiegelungen geben wir der Natur etwas zurück", sagt der Nabu-Referent für Stadtnatur. Dass Pflanzen im Bau wirtschaftliche Vorteile haben, so Petzold, zeige das Beispiel der Humboldt-Uni in Berlin, die durch natürliche Kühlung statt Klimaanlage 15.000 Euro im Jahr spare. Die Investitionen für Hydroskin sind nach Angaben von Eisenbarth überschaubar: Ein Quadratmeter werde die Bauunternehmer mehrere Hundert Euro kosten, schätzt sie.

Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes, findet die Erfindung vor dem Hintergrund zunehmend unwägbarer Wetterphänomene "hochinteressant". Neben den bekannten und bereits extra geschützten Schwerpunkten klassischer Überschwemmungen wie in Passau gebe es immer mehr räumlich und zeitlich unvorhergesehene Schadensereignisse. In solchen Lagen könne Hydroskin flexibel eingesetzt werden. "Man kann nicht jede Stadt vor allem schützen", meint Schubert-Raab, Hydroskin eigne sich aber auch für temporäres Bauen und zur Kühlung etwa von Container-Kitas.

Die Universität Stuttgart nennt einige Zahlen: Während gewöhnliche Gebäudeoberflächen unter der sengenden Sommersonne Temperaturen von über 90 Grad erreichen könnten, senke Hydroskin die Temperatur auf bis zu 17 Grad herunter. Die aufgenommene Wassermenge reduziert den Abfluss, der durch versiegelte Flächen direkt in die Kanalisation gelangt und bei ausgeschöpfter Aufnahmekapazität zu Überschwemmungen führt. 5,7 Quadratmeter Hydroskin kühlen laut Eisenbarth so stark wie eine Klimaanlage mit 2500 Watt.

Umweltfreundlich soll auch das Material werden, das derzeit aus wiederverwendbarem Polyester und künftig auch aus PET-Flaschen hergestellt wird. Zudem kann es bedruckt werden. "Der Architekt kann den Gebäuden ein neues, individuelles Gewand verleihen", erzählt Eisenbarth. Bedenken wegen möglicher Probleme in der Statik der Gebäude sieht sie nicht - ein Quadratmeter Hydroskin wiege in trockenem Zustand nur 1,2 Kilogramm, im nassen maximal 4,7.

Die Wissenschaftlerin hat Hydroskin im Rahmen ihrer Doktorarbeit am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren der Uni Stuttgart entwickelt. Als Gründerin eines Start-ups will sie die Technik rasch in die Baupraxis überführen. Einen Abnehmer hat die gebürtige Saarländerin schon: Der bayrische Bauunternehmer Schubert-Raab will nach eigenen Angaben im Rahmen eines Projekts mit neuen Baustoffen für Nutzgebäude auch Hydroskin erproben.

Er testet noch mehr klimafreundliche Materialien: So untersucht er die Nutzung von Sturm- und Schädlingsholz für den Bau. Diese Alternative zum Ziegelstein bindet auch viel Kohlendioxid. Zudem prüft er Moospaneele, die im Innen- und Außenbereich von Gebäuden der Wärmedämmung, Luftreinigung und Kühlung dienen sollen. Ferner stehen in seiner Firma Lehmputze auf dem Prüfstand, die besonders viel Feuchtigkeit aufnehmen und abgeben. Andere Unternehmen setzen etwa auf Solarzellen an der Wand oder auf spezielle Keramikfassaden.

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